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Interview mit Dr. Stefan Brupbacher, Direktor Swissmem

Dr. Stefan Brupbacher, Direktor Swissmem

 

Interview Manuela Gebert

Wie war das Jahr 2020 für Sie persönlich?

2020 war ein verrücktes Jahr. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Swissmem und unserer Firmen haben sich fast täglich an neue internationale Marktsituationen und Gesetze anpassen müssen. Die für unsere Industrie typische Lösungsorientierung hat da enorm geholfen.

 

Worauf mussten Sie wegen Covid-19 verzichten, was haben Sie dadurch gewonnen?

Der Kontakt mit den Mitarbeitenden fehlt und das ist ein grosser Einschnitt. Auch im Privaten musste man die Kontakte beschränken und Reisen wurde zum logistischen Abenteuer. Auch hier gilt: Schutzmassnahmen einhalten, ohne sich die Lebenslust nehmen zu lassen!

 

Als Direktor des führenden Verbands für KMU und Grossfirmen der schweizerischen Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie sowie verwandter technologieorientierter Branchen haben Sie die kantonalen und nationalen Massnahmen rund um Covid-19 in Ihrer Branche hautnah miterlebt. Wie schneidet die Schweiz aus Ihrer Sicht im Vergleich zu anderen Ländern ab?

Positiv war, dass wir ausser im Tessin immer arbeiten konnten. Dank Schutzkonzepten war die Industrie nie ein Covid-Hotspots. Das war ein Vorteil für die Firmen und den Standort Schweiz. Negativ war das Versagen des Bundes in der Digitalisierung. Er nutzt für Meldungen noch immer den Fax – eine Technologie aus dem letzten Jahrhundert. Zudem hat er viel zu spät mit den Arbeiten an einem Impf-Attest begonnen. Beim oft gescholtenen Föderalismus müssen wir mit Kritik aufpassen: Natürlich ist es schwer verständlich, wenn in Bern die Läden geschlossen und im Wallis offen sind. Aber das macht uns zum bürger- und firmennahen Spielfeld für unterschiedliche Ideen und schränkt die Gefahr von Übertreibungen ein. In Deutschland oder Frankreich wurden Bevölkerung und Firmen von der Zentralregierung viel mehr eingeschränkt, ohne dass die Fall- oder Todeszahlen besser gewesen wären.

 

Wo versagt/e die Schweiz? Was hätten Sie sich anders gewünscht?

Wir haben uns – wie alle Gesellschaften – viel zu stark auf die Fall- und Todesfallzahlen fokussiert. Die mittelfristigen Folgen für die Jungen, denen oft ein ganzes Schuljahr fehlt, wurden übersehen. Sie werden gemäss Studien deswegen ihr Leben lang weniger verdienen. Dasselbe gilt für die Tatsache, dass wir innert Monaten Dutzende Milliarden ausgegeben haben, die wir vorher über Jahre angespart hatten. Jeder wollte und will vom Staat für alles kompensiert werden. Das ist gefährlich. Irgendwann ist die Party zu Ende und die Kasse leer. Dann kommt das grosse Jammern, denn zahlen werden wir alle.

 

Wie geht es Ihren Mitgliedern seit Beginn der Covid-Krise?

Die Zeiten waren enorm hart: Innert Wochenfrist sind die Aufträge weggebrochen. Das für unsere Firmen wichtigen Reisen zum Kunden wurde enorm schwierig. Aber die Firmen haben sich gut geschlagen. Sie haben innert kürzester Zeit Schutzkonzepte erarbeitet und konnten weiterproduzieren. Das war zentral, weil viele Produkte unserer Firmen für die Grundversorgung unverzichtbar sind: Von Maschinen zur Herstellung von Impfspritzen über die Wartung der Lifte bis zu den Mühlen für die Herstellung von Pasta – überall ist die Schweizer Industrie zentral mit dabei. Nun hat für viele der Aufschwung begonnen. Es geht nun darum, jeden möglichen Auftrag an Land zu ziehen und zeitgerecht abzuwickeln. Gerade letzteres ist wegen fehlender Rohstoffe, Reisebeschränkungen und Lieferkapazitäten eine echte Herausforderung.

 

Welche Massnahmen wurden getroffen, um das Schiff auf Kurs zu halten?

Alle Firmen haben dank Schutzkonzepten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirkungsvoll geschützt und ihre Liquidität gesichert. Die Möglichkeit von Kurzarbeit hat sicher geholfen, einen noch grösseren Stellenabbau zu verhindern. Zudem wurde in neue Produkte und soweit möglich in die Kundenpflege investiert. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um nun von der Erholung profitieren zu können.

 

Was sind die Stärken der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie?

Unsere Firmen finden dank Innovation, Agilität und dem grossen Engagement der Mitarbeitenden immer wieder die beste Lösung für die Bedürfnisse ihrer Kunden. Mehr noch: Sie entwickeln Lösungen für aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen. Beispiel Klimaschutz: Wir brauchen neue Lösungen bei der Mobilität oder der Energieherstellung. Neue Autos, neue Motoren, Batterien oder Windräder – das alles muss entwickelt und hergestellt werden. Und da sind überall unsere Firmen involviert. Gleiches gilt  für die COVID-Bekämpfung: Die Nadeln der Spritzen werden zu Hunderttausenden auf Maschinen unserer Mitglieder hergestellt. Die Abfüllanlagen der Impfstoffe kommen aus unseren Fabriken. Ohne die Schweizer Fertigungsindustrie wäre vieles auf der Welt nicht möglich, teurer und schlechter.

 

Was sind die Forderungen Ihrer Branche für die kurz-, mittel- und langfristige Zukunft?

Lasst unsere Firmen arbeiten! Der Staat soll sich um Rahmenbedingungen wie gute Schulen, gute Infrastruktur und den Abbau von Zollschranken in ausländischen Märkte kümmern. Wir exportieren 80% unserer Güter. So können Schwellenländer neue, klimaschonende Technologien günstiger einkaufen, selber Jobs schaffen und die Umwelt schützen. Generell gilt: Internationaler Handel hat seit 1990 die bitterste Armut um 2/3 reduziert – das ist ein historisch einmaliger Fortschritt! Ich bin überzeugt, dass kaum ein Schüler und eine Schülerin diese Tatsache kennt. Diese Fakten müssen Schulen und Politik viel mehr vermitteln!

 

Warum soll sich ein junger Mensch für das Erlernen eines Industrieberufs entscheiden?

Wer die Welt bewegen will – und sei es nur im Kleinen – und wer knifflige technische Herausforderungen meistern sowie von der kleinen Schweiz aus international tätig sein will, der findet bei der Industrie faszinierende Jobs. Aber Achtung: Unsere Mitarbeitenden fräsen und drehen an der Werkbank primär im ersten Lehrjahr, dann wird die Digitalisierung – bei uns ein Arbeitsplatzmotor – und die Bedienung komplexer Maschinen wichtig. Aus all diesen Gründen sind wir für junge Frauen ebenso interessant wie für junge Männer!